Schlagerstar Michael Holm wird 80: Was ihn von seinen Kollegen unterscheidet (2024)

Wenn’s nur immer so einfach wäre: Der Autor, im Urlaub, hat eine Blockade beim Texten. Also setzt er sich ins Auto und fährt von Reit im Winkl über die Autobahn zurück nach München. Der Weg führt bei Iffeldorf über eine Brücke. „Und ich fuhr da so drüber“, erzählt Michael Holm. Die Melodie, von Rainer Pietsch komponiert, hatte er im Kopf. „Brücke, Brücke. Ich kann eine Brücke. Ein Lied kann eine Brücke.“ Das war’s. Noch ein kurzer Stopp auf dem nächsten Rastplatz, den Rest der Zeilen aufschreiben – und fertig war das Lied von Joy Fleming, mit dem die stimmgewaltige Sängerin beim Eurovision Song Contest (ESC) im Jahr 1975 dann allerdings gnadenlos unterging.

Sehr zum Verdruss nicht nur des Autors: „Ein Lied kann eine Brücke sein“ ist bis heute unter ESC-Fans Kult und gilt als die deutsche Grand-Prix-Hymne überhaupt. Doch warum reichte es dann nur für den drittletzten Platz beim ESC in Stockholm? Eine gängige Erklärung lautet: Schuld daran war das überaus unvorteilhafte grüne Kleid, das Joy Fleming an dem Abend trug und das sie später aus Wut zerschnitten haben soll. „Unsinn“, sagt Texter Michael Holm. „Deutschland durfte in jenen Jahren noch keinen Sieger stellen.“

Gut genug für Udo, gut genug für Holm

Ein wenig Verbitterung ist bis heute ­herauszuhören, wenn Michael Holm vom Schicksal „eines meiner gelungensten Werke, an dem ich beteiligt war“, erzählt. Immerhin hatte selbst Frank Sinatra danach noch Interesse an dem Lied in einer englischen Version („A Bridge Of Love, Across The Sea“) – verwarf diese Idee dann aber doch. Vielleicht weil es die erste klassische Disco-Produktion war, wie Holm sagt. Zumindest in Deutschland. Man könnte auch einfach sagen: Es war ein Lied zur Unzeit, das in Europa nicht ankam. Und Joy Fleming eine Urgewalt, die die Juroren einfach überforderte. Das wiederum lässt auch der Autor gelten.

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Michael Holm hat zu sich nach Weilheim in Oberbayern eingeladen. Es gibt Kaffee und Kuchen, den seine Frau Beate, genannt „Bimbi“, beim Bäcker besorgt hat. Bis zum ESC und Joy Fleming ist es an diesem Nachmittag noch weit. Erst einmal gilt es zu klären, als was Michael Holm sich sieht. „Autor, Sänger, Verleger“, sagt er. Und fügt hinzu: „Es kommt immer ­darauf an, wer mich fragt.“ Dass er weithin nur als Schlagersänger wahrgenommen werde, störe ihn überhaupt nicht. „Der Udo Jürgens hat immer gesagt: Ich bin Schlagersänger. And what’s good enough for Udo, is good enough for me.“

„,Mendocino‘ habe ich vorgestern das letzte Mal gesungen“

Anders als Udo Jürgens war Holm aber nur phasenweise Schlagersänger. Er war es vor allem in den Sechziger- und Siebzigerjahren, und er ist es jetzt wieder im Rentenalter. Das unterscheidet ihn von einer Reihe von Kollegen, die trotzig zu allen Zeiten weitermachten. Bis zur völligen ­Erfolglosigkeit. Gerade auch in den Achtzigern, als die Neue Deutsche Welle über das Land hereinbrach und den Schlager überrollte. „Ich fand das toll, was die jungen Leute da machten, und ich wusste, das kann ich nicht“, sagt Holm.

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Holm hatte schon 1979 seinen eigenen Musikverlag gegründet, mit einem auch im Ausland allgemein verständlichen Namen: Autobahn. Und zugleich auch ein Musikprojekt, Cusco, dessen Instrumentalmusik im Stile von New Age bis heute riesige Erfolge vor allem in Japan, Südkorea und den Vereinigten Staaten feiert. Allein dreimal war Cusco für den Grammy nominiert, zuletzt im Jahr 2004 als „Best New Age ­Album“. Anfang der Nullerjahre war aus Holm aber auch schon wieder ein Schlagersänger geworden. Und das eher unbeabsichtigt. Schuld daran war ein gewisser Guildo Horn, für den Holm 1997 das ­Album „Danke!“ produziert hatte. Das wiederum führte zur ESC-Teilnahme Horns 1998 und letztlich einem großen Schlager-Revival, das auch Michael Holm wieder auf die Bühne brachte.

„,Mendocino‘ habe ich vorgestern das letzte Mal gesungen“, erzählt Holm. „Beim Open R Festival in Uelzen.“ Da war er mit Altstars wie Thomas Anders oder Boney M. feat. Liz Mitchell, aber auch Jüngeren wie Anna-Maria Zimmermann oder Ross Antony, Teil des sogenannten Schlager-Marathons. ­Einige Tausend Zuschauer wollten auch ihn sehen, beim Inselfieber in Oberhausen Anfang September werden es sogar einige Zehntausend sein.

Musik war schon früh Holms Leben. „Statt einem selbst gemalten Bild habe ich meinen Eltern zu Weihnachten ein Lied geschenkt.“ Holm lernte Querflöte, brachte sich das Gitarrespielen selbst bei. In der Unterprima veröffentlichte er schon sein erstes Album, und das nicht als Lothar Bernhard Walter, sondern unter dem Künstlernamen Michael Holm. „Ich wäre sonst von der Schule geflogen“, sagt Holm. „Michael“ wählte er, weil es ein Name ist, den er schon immer mochte. Und Holm? „Ich bin ein gebürtiger Stettiner und habe eine gewisse Affinität zum Nördlichen.“ Und so nahm er den Holm etwa aus der Insel Bornholm und wurde zu Michael Holm. „Es klingt ja einfach auch gut.“

Eigentlich wollte er Anwalt werden

Holm wollte trotz musikalischer Ambitionen Anwalt werden. Er studierte Jura in Berlin, bis ihn der Erfolg überfiel, wie er sagt. Nicht als Sänger, sondern als Autor des Musikverlegers Peter Meisel und dessen Produktionsfirma Hansa. Mit Liedern unter anderen für ­Howard Carpendale, Erik Silvester, Siw Malmkvist und Petula Clark. Sein erster Hit: „Irgendjemand liebt auch dich“, den er zusammen mit Christian Bruhn für Roy Black schrieb. Nebenher nahm Holm auch Gesangsstunden bei dem ungarischen Tenor Ernest Garay.

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Auf einen Hit aber musste der Sänger Holm lange warten. Darum auch musste ihn sein Freund Giorgio Moroder erst dazu überreden, über das Mädchen in Mendo­cino zu singen. Damals war es gang und gäbe, erfolgreiche Lieder aus Amerika oder England ins Deutsche zu übersetzen und neu interpretieren zu lassen. Das ­erwartete das deutsche Publikum sogar. Oft waren die deutschen Versionen sogar ­erfolgreicher als das Original, so wie im Fall von „Mendocino“, das der Amerikaner Doug Sahm 1968 geschrieben hatte.

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Für Holm war es der Durchbruch – auch als Schlagerstar. Er wurde Dauergast in der ZDF-Hitparade, die 1969 an den Start ging. Die Schlagerwelt aber blieb ihm ­irgendwie fremd. In seiner gerade erschienenen Autobiographie „Rückkehr nach Mendocino“ beleuchtet er diese scheinbar ­heitere Welt auch kritisch: „Machotum mit offenem Sexismus, verbale Gewalt und hom*ophobie waren so allgegenwärtig wie der Qualm der Zigaretten.“ Truck Branss etwa, der Regisseur der Hitparade, habe in jeder Sendung einen Künstler verbal hingerichtet, erzählt Holm. Künstler wie der nicht offen schwule Rex Gildo, der 1999 nach einem Auftritt in einem Möbelhaus Suizid beging, sind letztlich wohl auch ­daran ­kaputtgegangen. Holm wehrte sich. „Branss habe ich gesagt, dass ich in meinem kleinen Finger mehr Musikalität habe als er in seinem ganzen Körper. Später kam er dann und sagte: Du Arschloch. Lass uns ein Bier trinken gehen.“

Einmal schaffte er es auf Platz eins

Nur einmal schaffte Holm es als Sänger auf Platz eins in den deutschen Charts: 1974 mit „Tränen lügen nicht“. Danach gab es noch ein paar Achtungserfolge. Was wenige wissen: Als Texter gelangen ihm Schlagerperlen, die bis heute auf fast jeder Party und in jedem Festzelt zu hören sind: etwa Rex Gildos „Fiesta Mexicana“, das er mit Ralph Siegel schrieb. „Das wurde zeitweise so oft gespielt, dass ich alleine dafür 100.000 Mark im Jahr bekommen habe.“

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Holm war ein Großverdiener. Auch als Werbekomponist, etwa für den Jingle der Dresdner Bank „Mit dem grünen Band der Sympathie“. Er verdient aber auch heute noch genug, unter anderem dank Cusco. Singen müsste er längst nicht mehr. „Meine Frau sagt immer: ,Schatzelchen, solange du Spaß hast, machst du das.‘“ Und der Schlagersänger Michael Holm, der an diesem Samstag 80 Jahre alt wird, hat Spaß.

Anlässlich seines 80. Geburtstages ist auch ein neues Album vonMichael Holm erschienen mit dem Titel „HOLM 80“.

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